Herbst *Glückskohlehydrate*
Nudelst du schon, oder kaufst du noch? Auf den Fingern klebt der Teig, auf der Nasenspitze sitzt etwas Mehl, auf der Arbeitsfläche hat sich der Hartweizengries verteilt und die Nudelmaschine wartet geduldig, bis irgendjemand an ihrer Kurbel dreht. Selbstgemachte Nudeln verwandeln die Küche in ein kleines Schlachtfeld, aber mit der richtigen Strategie gehen am Ende alle als Sieger hervor. Und: Kochen ist Strategie! Im Fall der selbstgemachten Nudeln funktioniert sie so:Die Dame eröffnet:„Schaaatz, was würdest du von Pasta für heute Abend halten?"
Der König bleibt (noch) im Hintergrund:„Hmm, warum nicht?"
„Schaaatz, was meinst du, wären nicht frisch gemachte Nudeln wieder einmal fein?"
(Im Hintergrund ist das Rascheln einer Zeitung zu hören, weil die großformatigen Seiten zu lesbaren Häppchen gefaltet werden.)
„Hmm, warum nicht?"
„So extra breite Tagliatelle, oder doch Spaghetti, oder kurze Nudeln vielleicht?"
„Hmm, warum nicht?"
(Die Zeitung raschelt wieder.)
„Wie hättest du sie lieber, als Tagliatelle, Spaghetti oder kurz geschnitten?"
„Hmm, warum nicht?"
„Schaaatz, kannst du mir bitte helfen?"
„Hmm, warum nicht?"
„Schatz!"
Ja!
„Dann komm!"
„Äh, ach so."
(Anmerkung der Redaktion: Die Personen der Handlung sind frei erfunden, die Handlung ebenfalls.)
Mag sein, dass diese Strategie nur in geschriebener Form funktioniert, gemeinsam frische Nudeln zu machen, ist dennoch wundervoll. Es ist ein wenig wie vierhändig am Klavier zu spielen, oder ein Mixed-Doppel beim Tischfußball, ein dahingeschwebtes Pas de deux, oder doch wie Rock ’n‘ Roll?
Hartweizengries, Mehl, Wasser und wahlweise Eier oder auch nicht – so einfach kann eine Glücksformel sein. Neurobiologisch betrachtet wird die Sache etwas komplexer. Kohlehydratreiche Kost wie Nudeln führt im Gehirn zu einem erhöhten Tryptophanspiegel. Tryptophan ist eine Aminosäure aus der Serotonin erzeugt wird. Serotonin wiederum ist das Hormon, das unsere Stimmung hebt. Davor hat der Körper bereits die Kohlehydrate in Glucose umgewandelt, die Glucose wiederum hat der Bauchspeicheldrüse befohlen, mehr Insulin zu produzieren und das Insulin hat das Trytophan angekurbelt und am Ende geht es uns gut. Zudem fühlen wir uns geistig fitter, weil Serotonin im Gehirn auch als Botenstoff für das Übertragen von Informationen zuständig ist. Dass Nudeln nicht nur die geistige Fitness steigern, sondern auch die körperliche wissen Ausdauersportler schon lang. Keiner, der nicht auf Pasta schwört.
Ein Rat aus der Ernährungswissenschaft: Wer seine Nudeln al dente kocht, bewahrt das Glücksgefühl über eine längere Zeit. Die Stärke ist weniger gekleistert, der Körper hat mehr mit der Aufspaltung zu tun, Glück und Sättigungsgefühl halten an. Umgelegt auf Italien müssten demnach die Neapolitaner die glücklichsten Menschen sein. Sie kochen Spaghetti, die auf den Tellern fast stehen.
Nudelgerichte gehören zur cucina povera, der italienischen Kost für arme Leute. Aus der Not geboren, aus der Notwendigkeit, ein Essen auf den Tellern zu haben. Aber es wäre nicht Italien, wenn sich zu dieser Notwendigkeit nicht auch noch das Bedürfnis gesellen würde, dass das was auf den Tellern liegt nicht nur satt macht sondern auch schmeckt. Pasta mit … mit allem, was die Phantasie der Köchin und des Kochs beflügelt hat und mit allem, was in Speisekammer, Kühlschrank und Garten vorrätig war. Manchmal eine große Kochoper in vier Akten, manchmal nur etwas Olivenöl, ein paar frische Kräuter und Parmesan.
Erfunden haben die Italiener die Nudeln nicht. Im Geschichtsbuch der Nudel steht geschrieben, dass es die Chinesen waren. Die Araber haben sie zum Trocknen auf Wäscheleinen gehängt. Damit war die Nudel konserviert. Aus dem 4. Jahrhundert stammen Abbildungen, die in Römischen und Griechischen Gräbern gefunden wurden. Sie zeigen eindeutig Geräte, die zur Nudelherstellung verwendet wurden. Im 12. Jahrhundert verfasste der spanische Kartograph und Botaniker Al-Idrisi einen Bericht aus seiner Wahlheimat Sizilien und schrieb über eine fadenförmige Speise aus Mehl, die dort gegessen wurde. Von Sizilien schließlich traten die Nudeln ihre siegreiche Reise durch Europa an. Der Rest ist Gegenwart, ist schnell zubereitetes Essen für Freunde und Familie, ist beliebte Studentenkost, ist Kohlehydratlieferant für das Glücklich-Sein.
Übrigens: Am 25. Oktober ist Weltnudeltag.
Selbstgemachte Tagliatelle mit Rucolablättern, Rucolapesto und karamellisierten Physalis
Nudelteig
400 g Mehl
200 g Hartweizengrieß
4 Eier
lauwarmes Wasser
Rucolablätter
Mehl und Hartweizengrieß auf die Arbeitsfläche geben und vermischen. In der Mitte eine Mulde machen und die Eier hinein geben, mit der Gabel vermischen und mit Wasser zu einem glatten Teig verarbeiten. Mindestens eine Stunde Rasten lassen. (Nicht salzen, sonst werden die Nudeln hart.)
Rucolablätter einzeln abzupfen, waschen und abtrocknen.Teig in Stücke schneiden und durch die Nudelmaschine treiben. Wenn er die gewünschte Stärke erreicht hat, mit den Rucolablättern belegen, zusammenfalten – sodass die Blätter vom Teig umhüllt sind – und noch einmal durch die Nudelmaschine treiben. Auf eine, mit Mehl bestäubte Arbeitsunterlage legen und mit dem Teigradel breite Nudeln machen. Lose zusammenrollen und leicht trocknen lassen.
Rucolapesto
2 Bund Rucola1 chinesischer Knoblauch/Soloknoblauch
50g Parmesan oder ein würziger Bergkäse
50 g Pistazien
ca. 200 ml Walnussöl
Meersalz
langer, schwarzer Pfeffer
Rucola waschen und trocken schütteln, grob schneiden. Knoblauch und Parmesan grob hacken. Gewürze, Nüsse, Öl und Käse dazugeben und mit dem Stabmixer pürieren.
Karamellisierte Physalis
etw. Butter
etw. Brauner Zucker
etw. Cognac
Die Physalis halbieren. Butter in einer Pfanne leicht erhitzen, Zucker dazugeben und unter ständigem Rühren karamellisieren, die Physalis mit der Schnittfläche nach unten dazulegen, mit Cognac ablöschen und sofort von der Hitze nehmen. Kurz ziehen lassen und die Nudeln damit garnieren.
Fröhliches Schaffen und guten Appetit!!!
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